8. Energiedialog 2024
Neue Energien und Netzinfrastruktur
Wie meistern wir die Herausforderungen?
Der 8. Energiedialog 2024, der am Dienstag, 19. November 2024 im Alten Spital in Solothurn stattfand, war ein voller Erfolg. Rund siebzig Personen besuchten den Anlass zum Thema neue Energien und Netzinfrastruktur mit zwei spannenden Fachinputs, gefolgt von einem interessanten Podium. Beim anschliessenden Apéro riche diskutierten die Gäste angeregt weiter und liessen den Abend ausklingen. Der Anlass wurde gemeinsam von der AVES Kanton Solothurn und der aeesuisse Solothurn organisiert und durchgeführt.
In den zwei Fachinputs erfuhren die Gäste die Hintergründe und Herausforderungen der heutigen Netzinfrastruktur, und wie diese sich künftig mit den erneuerbaren Energien verändern muss. Denn mit der Energiewende steigt der Strombedarf rasant. Schätzungen gehen von 25 – 40 Prozent Mehrverbrauch im Vergleich zu heute aus. Die Produktion von genügend erneuerbarem Strom ist ein Teil der Herausforderung. Wie das Stromnetz da mithalten kann, ist die zweite, drängende Frage. In der anschliessenden Podiumsdiskussion wurden die aktuellen Entwicklungen, mögliche Lösungen und innovative Beispiele diskutiert.
Ist das Stromnetz der Schweiz fit für die Energiewende?
Silvan Rosser, Leiter Energie und Mobilität bei EBP, eröffnete mit dieser Frage seine Präsentation. Die Energiewende findet primär im Verteilnetz statt. Die flächendeckende Installation von Photovoltaikanlagen wird das Stromnetz unweigerlich verändern. Denn das heutige Stromnetz agiert vor allem von oben nach unten. Das heisst, der Strom fliesst von den höheren Netzebenen in die tieferen Ebenen. Wenn nun aber viele Photovoltaikanlagen Strom ins Netz einspeisen, so bedeutet das eine grundlegende Veränderung des Systems. Es wird zu Rückspeisungen in höhere Netzebenen führen, was es bisher nicht gab. An einem Beispiel führte Silvan Rosser aus, wie der Lastgang des Netzes stark zunimmt. Spitzenlasten und Tiefpunkte durch hohe Einspeisungen führen zu Instabilitäten, sofern keine Massnahmen ergriffen werden. Eine Variante wäre, das Netz für die entsprechenden Lasten auszubauen. Doch die Fachwelt ist sich einig, dass das nicht zielführend ist und viel zu hohe Kosten verursacht. Die deutlich kostengünstigere Variante sind intelligente Managementmassnahmen. Die drei effektivsten Massnahmen, um einen unnötigen Ausbau des Netzes zu verhindern, sind gemäss Silvan Rosser: die Effizienzsteigerung insbesondere bei Gebäuden und der Mobilität, Einspeisebegrenzungen und das Verschieben von Lade-/Wärmebedarf, um Stromspitzen zu brechen.
Dr. Christof Bucher, Professor für Photovoltaiksysteme an der Berner Fachhochschule, pflichtete seinem Vorredner bei: «Es wäre falsch, unser Netz auf die Spitzen auszulegen. Viel wichtiger sind Anreize für netzdienliches Verhalten.» Zudem propagierte er eine Abkehr von der 100 Prozent Einspeisementalität. Ein paar wenige Netzbetreiber haben bereits Modelle eingeführt, die netzdienliches Verhalten fördern. So werden Nieder- und Hochtarife eingeführt. Wer das Netz entlastet, profitiert beispielsweise von günstigem Strom. In einem solchen Fall lohnt es sich finanziell, sein Elektroauto zu Randzeiten zu laden, wenn der allgemeine Stromverbrauch tief ist. Die Elektra führt ein anderes Modell mit finanziellen Anreizen ein, das auf die Einspeisebegrenzung setzt. Wer 40 Prozent oder mehr seines Stroms für den Eigenbedarf nutzt und somit maximal 60 Prozent einspeist, der erhält eine 8 Prozent höhere Einspeisevergütung. Dr. Christof Bucher geht davon aus, dass solche Modelle schon bald häufiger anzutreffen sind. Sein Fazit ist: «Wir brauchen jede PV-Anlage und müssen dazu alle Dachflächen ausnützen. Doch wir werden nicht jede Kilowattstunde brauchen, die diese Anlagen produzieren.»
Die Verteilnetzbetreiber sind auf dem Weg
Die Teilnehmer des Podiums waren nebst den beiden Referenten noch Marcel Rindlisbacher, Direktor der Regio Energie Solothurn, und Lars Huber von Pv2Grid und Leiter Systemtechnik des Stadtwerks Lenzburg. Moderiert wurde das Podium von Rolf Schmid, TEAG Advisors AG. Lars Huber und Marcel Rindlisbacher berichteten aus der Praxis als Verteilnetzbetreiber. Das Netz muss an bestimmten Orten doch ausgebaut werden, da die Kapazität nicht reicht. Aber die Investitionen konzentrieren sich vor allem auf Ersatzinvestitionen und nicht auf den Ausbau. Beide Netzbetreiber sind in der Planung und Vorbereitung von Modellen, die das netzdienliche Verhalten fördern sollen. Das Podium kam auch auf die Speicherthematik zu sprechen, wo die Meinungen etwas auseinander gingen. Silvan Rosser sprach sich dafür aus, dass der Strom besser direkt genutzt und mehr in die Effizienz investiert wird als in Speicher. Denn Speicherung geht immer auch mit Verlusten einher. Christof Bucher wiederum sah das Potenzial in Speichern, um das Netz zu entlasten. Allerdings werden Speicher zurzeit vor allem zur Optimierung des Eigenverbrauchs eingesetzt und nicht für das Netz. Marcel Rindlisbacher fand zudem, dass «Netzspeicher» ein Thema ist, das zu wenig Beachtung findet. Das Publikum interessierte sich ausserdem noch für Wasserstoff. Das Expertengremium war sich einig, dass Wasserstoff heute noch nicht wirtschaftlich ist, aber in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Allerdings nicht im Gebäudesektor und der Mobilität, sondern in der Industrie. Daniel Probst, Geschäftsführer der AVES Kanton Solothurn und Patrick Bussmann, Co-Geschäftsleiter der aeesuisse Solothurn zogen das Fazit der Referate und der Podiumsdiskussion, bevor sie in den Apéro überleiteten: «Wir brauchen mehr Intelligenz statt Kupfer!»